Mission-Logfile 44, Sternzeit 23880622
Nach den Borg ist vor der Mission

Bericht von PO Valeris, Abteilung Science Sternzeit 13.03 – 15.03.2020


Pers. Tagebuch:

Ich brauche Urlaub vom Urlaub! Zugegeben, die ersten zwei Wochen waren sehr schön. Ich habe genau das gemacht, was ich mir geschworen hatte. Während ein Großteil der Crew auf Risa alles ausprobiert hat, was der Urlaubsplanet zu bieten hat, bin ich mit ein paar wenigen in Richtung Erde geflogen.

Ich weiß von ein paar weiteren, die anschließend in das romulanische Flüchtlingslager zurück wollten, um dort weiter zu helfen und wieder andere wollen auf der Tereshkova Dienst leisten. Ich will nicht. Ich brauche ein bisschen Abstand von allem. Die erste Woche habe ich dann in Australien verbracht, wo ich mit Kassabyan tauchen war. Wenn der Techniker mal seinen Kopf aus den Röhren nimmt und die Plasmakabel beiseite lässt ist er nicht nur ein guter Kollege (was er immer ist), sondern auch wirklich angenehme Gesellschaft. Und begeisterungsfähig, was die Ausflüge aufs Meer zu einem echten Erlebnis gemacht hat. Danach ist er in seine Heimat Armenien weitergereist, die ich mir zumindest angesehen habe – wunderschön, mit uralten Kulturgütern – und ich bin nach Hause zu meiner Familie gefahren. Und da habe ich mich, versorgt mit Hausmannskost von meiner Mutter, in die Arbeit vergraben. Diese verfluchte Doktorarbeit über den Paracortex der Xartack hatte schon zu lange in den dunkelsten Ecken meiner Logfiles geschlummert. Aber es war mühsam, sie wieder aufzunehmen. Ich habe mich in der Zeit von Kaffee und Schokolade ernährt und mich von meiner Familie mästen lassen und es war zwar ein wissenschaftlicher Gewaltakt, der mich alle Nerven gekostet hat, aber es war ein heilsamer Gewaltakt. Es war wie eine Rückkehr zu Studienzeiten, vertraut und damit nicht bedrohlich. Ein streng kontrolliertes Umfeld, in dem das einzige Chaos und aufkommende Frustration in meinem eigenen Kopf vorhanden waren und nicht von außen an mich heran klatschten. Es war bodenständig und somit für mich wie eine erneute Einnordung. Und am Ende stand eine abgabefertige Doktorarbeit. Die habe ich jetzt an meiner Universität eingereicht und warte nur noch auf die Antwort. Ach ja – und ganz nebenbei habe ich mich auf die Offiziersprüfungen vorbereitet und meinen Vortrag verfasst, aber der war sozusagen zur Entspannung. Da das Publikum sehr gemischt sein wird, habe ich auf detaillierte Spitzfindigkeiten verzichtet und mich darauf konzentriert, einen Überblick über das Fachgebiet der Toxikologie mit ein paar praxisorientierten Angaben zum Verhalten mit unbekannten, möglicherweise giftigen Spezies zu geben. Nicht, dass es mir geht wie T‘Cadra bei ihrem Vortrag über Astrophysik, bei der der Großteil der Zuhörer mit Warp 9 abgehängt wurde – wenn man den Geschichten glauben mag.

Und dann trudelt ein Marschbefehl ein, laut dem ich mich in der Flottenwerft von Utopia Planetia einzufinden habe.
Ich habe in der ganzen Zeit den Gedanken daran, wie es weitergeht, schön verdrängt. Erst einmal wollte ich den Berg bewältigen, der vor mir lag. Und jetzt, wo ich das erledigt habe, was seit einer gefühlten Ewigkeit im Hintergrund gelauert hat, bin ich frei, mich um meine weitere Zukunft zu kümmern. Die leise Hoffnung, dass Admiral Beauvoir sein Vorhaben durchdrücken konnte, die Medienberichte über das neue Schiff in der Werft, das die Columbia ersetzen soll, all das erweckt Erwartungen, denen ich zwar noch nicht ganz nachgeben will, aber sie sorgen dafür, dass ich gern aufbreche. Vielleicht...gibt es ja doch eine Möglichkeit, mit einem Großteil der alten Crew wieder gemeinsam zu arbeiten. Ich vermisse sie so ziemlich alle, so viel kann ich mir eingestehen.


Logfile:
Kaum auf der Flottenwerft von Utopia Planetia eingetroffen stelle ich erfreut fest, dass ein Großteil der Crew ebenfalls einberufen wurde. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für einen gemeinsamen Einsatz, aber natürlich bleiben die entsprechenden Befehle abzuwarten.
Der erste Abend verläuft gesellig im Kreis der Kollegen – aber Genaues weiß niemand und auch die Mitarbeiter der Station können nur auf Gerüchte zurückgreifen. Dennoch liegt eine gewisse knisternde Erwartungshaltung in der Luft, auch wenn niemand so optimistisch sein will, felsenfest davon auszugehen, dass das neue Schiff für unsere Crew sein soll.


Pers. Tagebuch:

Ich habe einen Termin bei Counselor Rozhenko. Das Gespräch in seiner Gesellschaft verläuft angenehm wie immer. Der Mann hat wirklich nicht nur einen Beruf sondern eine Berufung. Letztendlich erkennt er ganz richtig, was mein Eremitendasein in den letzten Wochen sein sollte und bezeichnet es als „Erdung“. Auf seine Nachfrage, wie es mit der Vorbereitung auf die Offizierslaufbahn läuft, kann ich nur sagen, dass ich die Prüfungen abwarte. Und natürlich dringt er etwas weiter vor und hakt nach, was das Offiziersdasein für mich bedeutet, was ich davon erwarte...Puh...war ja klar, dass er mich damit wieder eiskalt erwischt. Er zwingt mich zum Nachdenken.
Und zwei Themen blubbern immer wieder unangenehm in meinem Kopf hoch, jedes mal, wenn ich bei ihm sitze. Bisher habe ich es noch immer geschafft, den Deckel wieder drauf zu knallen aber immer bleibt die Ungewissheit, ob er nicht doch darüber stolpert. Eigentlich sollte ich...NÖ! Ich finde, ein paar Geheimnisse sollten jedem zugestanden werden. Vor allem, wenn ich es trotzdem schaffe, zu funktionieren und zwar gut zu funktionieren.


Logfile:
Am nächsten Tag geht es erst am Nachmittag offiziell weiter, mit der Aussicht auf einen späteren gesellschaftlichen Anlass in einer der Bars. Ich bin angehalten, zwei Vorträgen zu lauschen, die von Captain Hunters zukünftigem XO, Commander Sinclair, gehalten werden und bei denen es um die Funktion des Offiziers in der Sternenflotte gehen wird. Im Anschluss soll ich meinen Vortrag halten.
Zuvor aber kommen zwei weitere Gäste in unseren Messebereich. Die eine ist die cardassianische Wissenschaftlerin Alo Gorenn, die uns seit der Mission mit der Wander beigestanden hat. Mittlerweile hat sie ihren Antrag auf Aufnahme bei der Sternenflotte gestellt. Gute Wissenschaftler können wir immer gebrauchen, auch wenn Cardassianer eine echte Rarität sind. Die Expertin für bioneurale Netzwerke war aber seither auch im Kampf gegen die Borg immer wieder eine wertvolle Unterstützung.
Außerdem ist ein Ferengi anwesend – so wie es aussieht, benötigt die Sternenflotte derzeit viele Ressourcen und die Ferengi sind – natürlich – nur zu gerne bereit, die zu liefern.


Pers. Tagebuch:

Ferengi...jedesmal wenn ich einem von ihnen gegenübersitze und er den Versuch eines vielleicht freundlich gemeinten Lächelns wagt, muss ich an einen Hai denken und den heftigen Wunsch unterdrücken, ihn mit einer Harpune zu beharken um ihn mir vom Leib zu halten. Immerhin ist der hier den Umgang mit Menschen (und auch mit menschlichen Frauen) sichtlich mehr gewohnt als der letzte Vertreter seiner Art, mit dem wir das zweifelhafte Vergnügen hatten und verzichtet auf ständige Anspielungen und Zweideutigkeiten sowie Ekelbezeugungen. Das ist vergleichsweise erfreulich.


Logfile:
Wer bei den Vorträgen von Commander Sinclair trockenen Stoff erwartet hat, wird angenehm überrascht. Tatsächlich besticht der Commander durch routiniertes Auftreten, tiefe Sachkenntnis und eine leichte Art und Weise, sein Wissen zu vermitteln. Was ich aus seinen Vorträgen entnehme, muss ich an anderer Stelle zusammenfassen, denn ich werde es – so oder so – später verwerten können und müssen. Egal ob ich eine eigene Abteilung bekomme oder als Rädchen auf einem großen Schiff lande. Egal ob ich es schaffe, den Schritt zum Offizier zu vollziehen oder nicht. Denn, seien wir mal ehrlich: Die Rückkehr ins zivile Leben schwebt mir gerade wirklich nicht vor.


Pers. Tagebuch: Sinclair gibt in einem ersten Vortragsteil über die Pflichten und Aufgaben eines Offizier ein paar sehr fordernde Aufgabenstellungen auf. Die implizierten Lektionen gehen stellenweise ganz schön an die Nieren, aber sie sind eindrücklich genug, dass jedem schnell klar wird: Der Offiziersposten ist nichts für Leute, die Verantwortung für andere oder für ihre eigenen Taten scheuen.
Ob ich dazu bereit bin? Keine Ahnung. Technisch gesehen liegen die korrekten Antworten häufig auf der Hand, aber spätestens wenn es darum geht, wer in einem Team in einer Notsituation geopfert wird und rein strategisches Denken vor jedem Gefühl stehen muss wird es brenzlig. Auch für Ensign Nabaar. Die muss den Raum kurzzeitig verlassen, um sich zu sammeln, als ihr gewisse Dinge bewusst werden, über die sie in dieser Form vielleicht noch nicht bis ins letzte Detail nachgedacht hat. Habe ich auch nicht. Ob ich es kann? Woher zum Teufel soll ich das wissen ehe ich drin stecke?
Bin ich willens, das durchzuziehen? Ja!
Und nach Commander Sinclairs Vortrag erst recht.
Eine denkwürdige Hausaufgabe gibt er uns noch mit: Wer war in unserem Leben ein Vorbild? Wem würden wir nacheifern wollen?
Puh, schwierige Frage. Als Kind war es mein Vater. Aber eben, weil er Wissenschaftler war und ich das auch wollte. Dann hatte ich im Lauf meiner Studien- und Arbeitszeit auf der Erde fähige Kollegen, denen ich kollegial und freundschaftlich verbunden war, aber als Vorbild würde ich keinen von ihnen bezeichnen. Wenn man einen Freund als Vorbild sieht, dann nimmt das die Gleichwertigkeit aus der Beziehung.
Später lernte ich dann erst Offiziere kennen, allerdings fast nur solche von der Columbia. Und – wie soll ich es ausdrücken? Als das Epitom eines Sternenflottenoffiziers habe ich keinen von ihnen je gesehen.
Aber eines war ihnen gemeinsam: Egal wie beschissen die Situation war, sie haben immer versucht, das Beste daraus  zu machen. Manchmal haben sie Fehler gemacht, die sie sehr tief haben fallen lassen, aber sie sind immer wieder irgendwie aus dem Dreck nach oben gekrochen.
Perfektion? Nein.
Menschlichkeit? Zutiefst.
Brauche ich Vorbilder? Vielleicht nicht. Oder nicht in Form von Offizieren oder wie auch sonst Sinclair sich das vorstellt.
Egal wie sehr betont wurde, dass die persönliche Distanz eines Offiziers  zu seinen Vorgesetzten immer gewahrt werden muss, Nabaar ist die persönliche Nähe  zu ihrem Team genau so wichtig. Und ich muss gestehen, mir auch. Außerdem kann ich nicht von einem Tag auf den anderen zu einer  distanzierten, höflich kollegialen Vorgesetzten werden, die nie mehr – im übertragenen Sinne – die Krawatte lockert. Nicht mal außerhalb des Dienstes?
Sogar der Captain tut das.
Ich bin da eher ein Verfechter der Theorie, dass ein solcher plötzlicher Status mit einem massiven Pochen auf die Einhaltung dieser Distanz ganz schnell ins Negative umschlagen kann. Was dann das eindrucksvolle Beispiel eines schlechten Offiziers ergibt. Und darauf habe ich keine Lust.
Ja, ich habe die Worte gehört, ja, ich werde mich bemühen, sie umzusetzen. Aber schön langsam, wohldosiert und in Zusammenarbeit mit meinem Team….zumindest, wenn mein Team noch aus den Altvertrauten bestehen sollte. Ohne ein gutes Team taugt der beste Offizier nichts. Und nur  in gegenseitigem Vertrauen und guter Zusammenarbeit sind Höchstleistungen möglich.
Wenn ich auf ein neues Schiff komme, ja, dann könnte die Sache anders aussehen. Aber auch dann würde ich es deutlich vorziehen, mir das Vertrauen der Crew durch gute Arbeit und gutes Verhalten zu erwerben und nicht darauf zu pochen, dass mir irgendeiner von vorneherein etwas schuldig wäre. Gutes Benehmen und kollegiales Miteinander sollten in der Sternenflotte ohnehin selbstverständlich sein. Respekt bekommt man nirgendwo geschenkt und wofür einen die Leute respektieren, nun, das hängt wohl ebenso sehr von einem selbst wie von den Wünschen der Crew ab.
Also nein, ich brauche kein Vorbild.
Ich will nicht so sein wie...irgendjemand anders.
Ich will ein guter Offizier werden aber was genau das bedeutet, möchte ich selbst herausfinden. Ohne dabei jemandem nachzueifern, der vielleicht ein guter Offizier ist, den ich aber persönlich nicht kenne und vielleicht auch als Privatperson gar nicht schätzen würde.
Admiral Beauvoir war eine beeindruckende Gestalt. Aber er hat sich mit mir auf eine väterliche Weise unterhalten, die manch einem vielleicht schon wieder zu persönlich gewesen wäre. Ich habe es  zu schätzen gewusst, weil es das war, was ich gebraucht habe. Und deshalb glaube ich, dass er ein großer Offizier ist. Weil er sich auf seine Untergeben einstellen kann, wie es die Situation erfordert. Das ist nacheifernswert. Und das hat er sicher nicht von einem Tag auf den anderen geschafft. Ich will dasselbe Recht, mich entwickeln zu dürfen. Und ich will mit meinem zukünftigen Team wachsen, nicht allein.
Müßte ich mir einen Offizier nach Wunsch zusammenbauen, dann würde ich nur die besten Teile meiner Kollegen nehmen, in der richtigen Dosierung, damit aus der eigentlich positiven Eigenschaft nicht etwas Negatives wird.
Man nehme: Die Entschlossenheit einer Javert, den Mut eines O‘Connor, die Natürlichkeit eines Funk, das Mitgefühl einer Nabaar, den nicht totzukriegenden Optimismus eines MacTavish, die Ruhe einer McPherson, das Kalkül eines Stuvek, die Arbeitsmoral eines Kassabyan, die Selbstreflektion eines Sanders, das Wohlwollen eines Beauvoir, die Hingabe eines Gallagher und – ganz dringend – die Haltung eines Sinclair (einfach um sicherzustellen, dass die Uniform sitzt) und ganz vielleicht hat man dann einen perfekten Offizier. Der dann vor lauter Perfektion vermutlich unerträglich wäre. Ich glaube, ich bleibe bei mir und versuche, das Beste aus dem zu machen, was ich bieten kann...das muss reichen.
...womit ich mir genügend Gedanken um diese Hausaufgabe gemacht haben dürfte.


Logfile:
Der Rest des Vortrags, der zu einigen sehr interessanten Debatten geführt hat, besteht in einer kurzen Wiederholung von Formalitäten und schließt mit dem Tenor: Formalitäten sind keine Schikane, sie dienen der Ordnung, Sicherheit und der Sicherung der Rechte aller und garantieren insgesamt einen reibungslosen Ablauf.


Pers. Tagebuch:
Ja, verdammt, ich konnte mir die Frage nicht verkneifen….als es darum ging, unter welchen Umständen ein Vorgesetzter die Auswahl zu treffen hat, ob er einen seiner Untergebenen zu opfern hat und wenn, unter welchen Gesichtspunkten er das tun darf und muss. Ob er das Recht hat, sich selbst zu opfern oder ob er im Rahmen der zu erfüllenden Mission jemand anderen bestimmen muss – ja, ich konnte mir nicht verkneifen, nachzufragen, wie sich das mit dem traditionellen Recht eines Captains verträgt, mit seinem Schiff unterzugehen.
Es interessierte mich wirklich, nachdem Captain Gallagher genau das getan hatte, obwohl sowohl Funk als auch Javert es ebenso hätten übernehmen können, die Columbia in den Borgkubus  zu steuern. Und es wollten.
In meinem Rücken bilde ich mir ein, so etwas wie Vibrationswellen von Javert ausgehend zu spüren – ich glaube, sie hätte die Frage am liebsten selbst in den Raum posaunt. Captain Gallaghers Opfer hat sie schwer getroffen und müsste ich mutmaßen würde ich sagen, sie wirkt stinkwütend auf ihn...aber da halte ich mich besser raus.
Gallagher wiederum wirkt ein wenig resigniert, offenbar hat er die Frage erwartet – aber nicht mit Enthusiasmus und vielleicht nicht von mir…
Die Antwort allerdings ist im Kern recht einfach: Die Mission war erfüllt, es gab keine Folgemission außer das Überleben der Crew auf dem Planeten bis zum Eintreffen von Hilfe sicher zu stellen. Die übrigen Offiziere waren mehr als qualifiziert, um das  zu übernehmen, also hat der Captain in diesem Fall das Recht für sich in Anspruch genommen. In diesem Fall spielten Ressourcenabwägungen keine Rolle mehr. Das leuchtet mir soweit ein. Wenn alles geschafft ist und nur noch durch ein Opfer eine Niederlage in einen Teilsieg umgewandelt werden kann, dann darf der Captain sich für das größere Ganze opfern.
Ok, verstanden, aber ich hoffe, ich erlebe so etwas nie wieder.


Logfile:
Nach Commander Sinclairs Ausführungen schließe ich meinen Vortrag zum Thema Grundlagen der Toxikologie, speziell bezogen auf Landtiere sowie Vorsichtsmaßnahmen, an. Die Zuhörerschaft ist groß und interessiert, was das Ganze zu einer deutlich angenehmeren Erfahrung macht, als in einem stickigen Hörsaal unmotivierte Studenten begeistern zu müssen.


Pers. Tagebuch:
Und nachdem sich Lieutenant Javert für den gut strukturierten und interessanten Vortrag bedankt, dem sie ohne Schwierigkeiten folgen konnte lief es wohl tatsächlich gut.
Danach ist ein wenig Entspannung angesagt. Wann genau und in welcher Form eine tatsächliche Prüfung stattfinden wird, werde ich noch erfahren. Allerdings hatte Commander Sinclairs Vortrag stellenweise schon Prüfungscharakter, zumal nur bestimmten Leuten, also frisch gebackenen Ensigns und Offiziersanwärtern wie mir gestattet war, auf Fragen zu antworten. Also abwarten, was noch nachkommt.


Logfile:
Nach einem sehr opulenten Abendbuffet ist ein Antreten in Galauniform erwünscht. Der Anblick einer kompletten Crew in offizieller Garderobe ist durchaus beeindruckend.


Pers. Tagebuch:
Et merde! In diesen Galadingern sitzt man eingeschnürt wie in einer Wurstpelle. Atmen erschwert, Bewegung unmöglich. Ich kann darin noch nicht einmal vernünftig Klavier spielen, weil ich meine Arme nicht bewegen kann. Nicht einmal das Cocktailglas kriege ich bis an die Lippen gehoben. Diese Uniformen taugen nur dazu, einem eine stocksteife, gerade Haltung aufzuzwingen. Schlimmer als die Fischbeinkorsetts des 18. Jahrhunderts.
Okay, okay, schon gut, sie sehen schick aus, zugegeben. An manchen sogar sehr schick. Commander Sinclair scheint in die Pelle hineingeboren worden zu sein, desgleichen der Kollege Biggarth, aber die beiden gehören zu diesen hassenswer...beneidenswerten Personen, die man auch in einen Rupfensack einnähen könnte und sie würden darin eine gute Figur machen.
Was soll‘s, ich muss ja nur den offiziellen Teil darin überstehen. Wenn mir beim Salutieren eine Naht kracht ist das eben Schicksal.
Und der Ferengi...aua! Er erscheint in einem grünblauen, glitzernden Anzug, der garantiert im Dunkeln leuchtet und beim näheren Hinsehen vermutlich einen bleibenden Retinaschaden beim Betrachter hinterlassen wird. Jeder Hai würde Reißaus nehmen. Und wie er grinst...fühlt sich noch jemand an diese wirklich gruseligen Tiefseefische erinnert, die an einer Antenne eine leuchtende Kugel vor sich hertragen, um Beute anzulocken? Direkt dahinter tut sich im Dunkeln dann einfach nur ein gigantisches, zahnbewehrtes Maul auf und….uäh!


Logfile:
Der offizielle Teil beginnt mit zahlreichen Ehrungen. Die Stimmung ist zunächst etwas steif, einfach, weil die meisten von uns wohl auf eine große Ankündigung warten, die dann zum Glück nicht mehr lange auf sich warten lässt. Es ist schön zu sehen, wie unsere Leistungen gewürdigt werden. Besonders stolz macht mich, dass Crewman MacTavish für seine Leistungen auf dem Gebiet der Geologie mit einer Science Achievement Medal geehrt wird. MacTavish ist keiner von denen, die sich in den Vordergrund drängen, aber er ist immer mit ganzem Herzen dabei, wenn es etwas zu tun gibt, ungeachtet von Risiken und Gefahren. Dass er für jahrelange, treue Dienste endlich auf diese Weise belohnt werden kann, freut mich sehr. Ebenso erfreulich sind die Auszeichnungen im Gebiet der Taktik für Funk und im Bereich der Medizin für Sanders. Bestimmt habe ich ein paar vergessen. Und natürlich gibt es noch ein paar Purple Hearts.
Überraschenderweise wurde extra für diesen Anlass eine neue Ehrung erfunden, die in meinen Augen schon lange überfällig ist. Nicht jeder taugt dafür, in der ersten Reihe zu stehen. Nicht jeder hat die Gelegenheit, sein brillantes Wissen und Können für alle sichtbar unter Beweis zu stellen. Aber es gibt immer diejenigen, die im Hintergrund für den Informationsfluss sorgen, die Aktionen koordinieren und vorbereiten, die Teams zusammenstellen und still und leise im Hintergrund dafür sorgen, dass alles reibungslos läuft und ohne deren Teamarbeit nichts funktionieren würde. Die einfach dafür sorgen, dass die Kameraden in der ersten Reihe alles haben, was sie benötigen, um die Welt retten zu können. Die ihnen den Rücken freihalten. Und dafür wurde der neue „Combined Team Effort Award“ geschaffen.
Nach den Ehrenbezeugungen ist die Stimmung etwas gelöster, weil Captain Gallagher es schafft, das Ganze nicht zu einer sehr steifen Angelegenheit verkommen zu lassen.
Und endlich erreicht uns eine eingehende Nachricht von Admiral Beauvoir, die dafür sorgt, dass sich die erwartungsvolle Spannung in Freude und...nun ja, so etwas wie tränenreiche Rührung auflöst. Die neue Columbia, eine Rhode Island Klasse, wird als Forschungsschiff eine neue Crew bekommen, deren Kern aus all denen besteht, die auf der alten Columbia gedient haben.


Pers. Tagebuch:
Ich gebe es ja zu, ich heule auch. Warum auch nicht, zum Teufel? Es tut gut. Ich dachte schon, die Fähigkeit zu heulen wäre mir irgendwann im letzten Jahr abhanden gekommen, aber ich beweise mir gerade das Gegenteil und das erleichtert mich. Und ich freue mich gar nicht so sehr auf das neue Schiff – ich habe mein Herz nie an einen bestimmten Ort gehängt – aber dass eine neue Columbia fliegen wird, erfüllt mich zumindest mit ein wenig pathetischer Befriedigung. Was mich tatsächlich mehr rührt ist, dass es mit den alten Kameraden weitergehen wird. Oder zumindest mit vielen von ihnen. Zuhause ist kein Ort. Zuhause ist, wo diejenigen sind, an denen dein Herz hängt. Und das reicht mir, um ein paar Tränen zu verdrücken. Und ich bin beileibe nicht die Einzige. Die Techniker sehen aus wie Kinder, die man in einem Bonbonladen ausgesetzt hat und würden am liebsten sofort losstürmen, um das Schiff zu inspizieren.


Logfile:
Ansonsten verläuft der restliche Abend gemütlich. Als ich endlich die Galauniform von mir werfen und mich wieder bewegen kann verbringe ich den Abend so, wie wir in der Crew schon viele gestaltet haben. Die Cardassianerin Gorenn wird ein Teil der Mannschaft werden. So wie es aussieht darf ich bald ein neues Mitglied in meinem Team begrüßen.


Pers. Tagebuch:
Ich bin ein wenig irritiert, als der Captain mich fragt, ob ich sie als Teil meines Teams aufnehmen will. Seit wann entscheidet das denn ein Abteilungsleiter? Ich bin verwirrt. Oder will der Captain nur nett sein? Merkwürdig. Ich glaube ich muss in den Statuten nachlesen. So oder so kann ich ja schlecht nein sagen. Abgesehen davon, dass ich das gar nicht will.
Alo Gorenn ist eine analytische, kühl kalkulierende Wissenschaftlerin. Wenn ich bislang so etwas wie menschliche Wärme vermisst habe, dann mag das daran liegen, dass ich noch keine rechte Gelegenheit hatte, mit ihr persönlich warm zu werden, dass sie sich bisher zurückgehalten hat oder dass das einfach die cardassianische Art ist. Ich werde es herausfinden, das wird spannend. Wenn ich mir mein restliches Team so ansehe, dann ist ein kühler Kopf vielleicht genau das, was uns noch zur Abrundung gefehlt hat, seit T‘Kadra nicht mehr an Bord ist. Ich bin sehr gespannt, was wir von ihr zu erwarten haben.


Logfile:
Es sieht so aus, als hätte ich in den nächsten Tagen einiges zu tun. Meine Abteilung mit der Wissenschaftsstation vertraut machen, die Erkenntnisse, die ich von Commander Sinclairs Vorträgen gewonnen habe, Stück für Stück in die Tat umsetzen, ein neues Mitglied einführen, alle Unterlagen auf Vordermann bringen…


Pers. Tagebuch:
Was ich aber beibehalten will, ist das Musizieren vor der Crew. Nach dem Dienst und zu besonderen Gelegenheiten. Zumal sich sogar Alo Gorenn für die Melodien und Texte interessiert. Ich vermisse Lucille dabei etwas, aber sie wird ihre guten Gründe haben. Und MacPherson ist ebenfalls eine sehr gute Duettpartnerin. Manche Dinge gehören an manchen Abenden einfach dazu, zumindest, wenn wir wirklich etwas zu feiern habe, damit ich mich nicht völlig verfremdet fühle. Ich mache das nicht nur für die Crewmitglieder, die gerne mitmachen, ich mache das auch in erster Linie für mich. Wenn ich nach Missionen eine solche Entspannung im Kreis der Crew genießen kann, dann fühlt es sich für mich so an, als hätten wir etwas richtig gemacht und das will ich mir warmhalten.

Das heißt, sobald ich es geschafft habe, mir ein neues, funktionierendes Sustain Pedal zu replizieren...meine Güte!